Extremwettereignisse – Herausforderungen für die Versicherung von Erneuerbaren Energien
Die zum Teil immer heftiger ausfallenden Extremwettereignisse stellen eine Bedrohung für die Energiewende dar.
Erneuerbare Energien (EE) sind zentraler Bestandteil der Strategie zur Eindämmung des Klimawandels, doch die zum Teil immer heftiger ausfallenden Extremwettereignisse stellen eine Bedrohung für die Energiewende dar. So kann es zum Beispiel aufgrund von Stürmen zu Schäden an EE-Anlagen und entsprechenden Ausfällen kommen, was sich nachteilig auf die Energietransformation und Nachhaltigkeitsziele auswirken kann.
Europa war in jüngster Zeit mit hohen Hagelschäden konfrontiert, von denen Solarpanels betroffen waren. So wurde die Schweiz im August 2023 von einem heftigen Gewitter mit Hagel heimgesucht. Die Folge waren starke Schäden an mehrere Solaranlagen im Raum Locarno. Nach Angaben des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zählen Hagelschlag und starker Schneefall zu den häufigsten Ursachen für Elementarschäden an Photovoltaikanlagen in Deutschland.
Hagelschlag – ein gewichtiges Problem
Hagel stellt ein bedeutendes Risiko für EE-Anlagen dar. Global betrachtet belaufen sich die hagelbedingten Schadenereignisse im Durchschnitt auf 52,3 Mio. EUR. Sie sind damit für mehr als die Hälfte der Kosten verantwortlich, die in Zusammenhang mit Schäden an Photovoltaikanlagen entstehen. Solar- und Windparks, aber auch Energiespeichersysteme, sind empfindlich für Windschäden, zum Beispiel aufgrund von Hurrikanen und Tornados. Waldbrände und Überschwemmungen, Anlagenausfälle sowie Brände durch elektrische Störungen stellen weitere mögliche Risiken dar.
Die Schäden übersteigen oft die Versicherungsdeckung und die Gesamtexponierung geht über die insgesamt verfügbaren Versicherungskapazitäten hinaus. Vor diesem Hintergrund droht die Unversicherbarkeit der EE-Branche – eine Entwicklung, die die Nachhaltigkeitsbestrebungen bedroht.
Anlagenqualität im Blick
Investierende stehen beim Aufbau ihrer EE-Projekte unter einem hohen Preisdruck, der sie zum Teil zu Abstrichen bei der Qualität der erworbenen Anlagen zwingt. Anlagenfehler und die damit verbundenen Probleme sorgen für Leistungseinbußen, die sich auch deutlich in den Einnahmen niederschlagen können. Nach Schätzungen belaufen sich die dadurch bedingten Umsatzverluste für die Solarbranche weltweit auf jährlich 4,1 Mrd. EUR.
Entgangene Umsätze sind kurzfristige Folgen dieser Probleme mit der Anlagen-Leistung. Sie können durch den möglichen Verlust von Marktanteilen und den Wegfall künftiger Wachstumsmöglichkeiten aber auch den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen aus der EE-Branche bedrohen, unabhängig vom Versicherungsschutz. Die Lösung muss in einer Kombination aus hohen Qualitätsstandards und technischer Expertise zur Schadenverhütung einerseits und finanziell tragfähigem Versicherungsschutz andererseits liegen.
Derzeit zeichnet sich am Versicherungsmarkt die Entwicklung ab, dass Deckungen für die EE-Branche deutlich teurer werden oder zum Teil gar nicht mehr zur Verfügung stehen. Beides stellt eine Gefahr für das Tempo beim Ausbau von erneuerbaren Energien dar.
Dies erfordert einen proaktiven Ansatz, wie er in der Luftfahrtindustrie gepflegt wird: Unternehmen der Erneuerbare-Energien-Branche müssen Risiken ihrer EE-Projekte vorausschauend eliminieren, und dies bereits in der Planungsphase.
Wichtige Schritte zur Unterstützung der Energiewende
Die Lösung fußt auf drei Säulen:
- Fokussierung auf Qualität als wichtiges Kriterium für EE-Anlagen und -Produkte: Die grundlegenden Schwachstellen von Photovoltaikanlagen (Solarmodule, Befestigungssysteme und elektrische Komponenten), aber auch von Windkraftsystemen (Turm, Rotorblätter und zugehörige Systeme) sind weithin bekannt. So ist es wichtig, dass bei der Entwicklung, Finanzierung und dem Betrieb die Zuverlässigkeit und Haltbarkeit der Anlagen im Vordergrund steht – nicht die Senkung der Kosten, wie derzeit häufig zu beobachten ist.
- Branchenzertifizierung für die Robustheit von Produkten, zur Qualitätskontrolle sowie Bewertung der Energieleistung. So formulieren die Standards ANSI FM 4476, ANSI FM 4478 und FM 4480 Voraussetzungen für die Zertifizierung von Anlagen im Hinblick auf deren Widerstandsfähigkeit gegenüber Hagelschlag und Windschäden sowie die Frage der Brandausbreitung.
- Implementierung und Durchsetzung von Standards bei der Entwicklung, Fertigung, Installation, dem Betrieb, der Überwachung, Integration und Stilllegung von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Dabei ist es unerlässlich, dass stets die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen der Branche einfließen. Zudem müssen die Besonderheiten von Anlagen in Gebieten berücksichtigt werden, die mit derartigen Ansiedlungen bisher wenig Berührungspunkte hatten (zum Beispiel eine ländliche Region, in der erstmals eine PV-Großanlage errichtet wird).
Mit den zum Teil unerfreulichen Erfahrungen aus der Vergangenheit ist es für Versicherungsunternehmen nun an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen und diese Maßnahmen zur Stärkung von Resilienz zu fördern. So können sie ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Energiewende leisten. Für dauerhafte Veränderungen bedarf es einer langfristigen Perspektive mit entsprechenden Investitionen in die Zukunft. Dabei sollten Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität mit Initiativen zur Stärkung der heimischen Produktion von Solarmodulen einhergehen.
Verbesserte Produkte und Prozesse können der Branche, die sich aktuell in einer fragilen Lage befindet, neuen Auftrieb verleihen und so auch dazu beitragen, den Klimaschutz voranzutreiben. Ein erfolgreicher und schneller Umstieg auf erneuerbare Energien ist eine Grundvoraussetzung für die Eindämmung des Klimawandels und der damit verbundenen Folgen. Hohe Anforderungen an die Qualität sind daher unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Anlagen auch den Herausforderungen von Mutter Natur standhalten können, die mit der Umstellung auf erneuerbare Energien gerade verhindert werden sollen. Die Forschung liefert immer neue, wichtige Erkenntnisse und das erforderliche Wissen ist ebenfalls größtenteils bereits vorhanden. Es ist nun an der Zeit, beides zielführend einzusetzen.
Dieser Text basiert auf einem kürzlich im Magazin Forbes erschienenen Artikel von Dr. Louis Gritzo, Chief Science Officer bei FM.